Bist du ein König?
Paul Weismantel
Du kommst als Diener aller,
lebst als Mensch unter Menschen
und wirst durch deine wehrlos-verwundbare
Liebe ein verlassener letzter Mensch.
Du wählst die Karriere nach unten,
durchbrichst das uralte Schema
von Herren und Knechten,
erntest dafür Spott und Hohn,
bis zum bitteren Ende.
Du trägst die Dornen,
die Schläge ins Gesicht
das Unrecht, das Kreuz,
damit für uns Unerträgliches
und Unsägliches
tragbar werden.
Du gehst den Weg des Verlierers,
des Verrats, des Scheiterns,
der gebundenen Hände,
des schweigenden Leidens,
den Kreuzweg als Königsweg.
Du erlöst die Menschen
zwischen der überheblichen
Verachtung des einen
und der reuigen Bitte
des anderen Schächers.
Du versöhnst die Welt
im Kampf auf Leben und Tod,
zwischen Erbarmen und Härte
durch den Sieg der Auferstehung.
Du ziehst alle an dich
als der Erhöhte,
der durch die Erniedrigung gegangen
und dessen Herrschaft
nicht von dieser Welt ist.
Du wirst wiederkommen
in deiner Macht als König,
damit wir dort sind,
wo auch du bist,
für eine ganze Ewigkeit
in königlicher Würde.
Paul Weismantel in: Reinhard Kürzinger und Bernhard Sill, Das große Buch der Gebete. Über 800 alte und neue Gebetstexte für jeden Anlass. Verlag Hohe, Erfstadt
2007.
Am Ende des Kirchenjahres
Sonntagsgruß - Konvent der Kamillianer
Am Ende des Kirchenjahres erinnerst Du, Herr, mich an meine Würde. Du sagst mir
heute: „Ich habe dich begleitet, damit du innerlich wachsen kannst!“ Wenn ich gewachsen bin, sage ich Dir heute:
Danke!
Wenn ich stagniere, bitte ich Dich um Deinen Antrieb im kommenden
Kirchenjahr.
Du sagst mir heute:
„Wenn du wächst, erlebst du etwas vom Reich meines Vaters.“ Lass mich erleben, was
das heißt. Denn ich bete doch so häufig mit Deinen Worten: Vater, dein Reich komme!
Aus: Sonntagsgruß der Kamillianer, 93. Jahrgang 2018, 34. Sonntag im Jahreskreis.
Gebet aus der Tiefe
Michael Meyer
Aus der Tiefe,
Herr,
rufen wir,
aus der Tiefe unserer verrinnenden Zeit.
Freude ist uns widerfahren,
und Freude wurde zerstört.
Wir sind
dem Leben in seiner herrlichen Fülle
begegnet
und der Angst vor dem Tod.
Wir haben deine Güte erfahren
und wir haben dich vergeblich gesucht.
Wir haben gehört
von deiner künftigen Welt
und wir fürchten das,
was auf uns zukommt noch immer.
Wir sind müde geworden.
Wecke uns auf
und komm du,
Gott.
Wehre dem zu kommen,
was uns zerstört.
Halte die Bosheit fern
und die Furcht
und den bösen Tod.
Komm du,
Gott,
und bring Frieden mit,
Leben ohne die Enge der Schuld.
Laß den Tag anbrechen,
der ohne Abend ist.
Aus: Michael Meyer, Nachdenkliche Gebete im Gottesdienst. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1988.
Gebet
Thomas Morus
Allmächtiger Gott, nimm von mir allen eitlen Sinn, alles Streben nach Lob, allen Neid,
alles Begehren, jede Unersättlichkeit, Trägheit und Wollust, alle Neigung zum Zorn, alle Rachsucht, alle Schadenfreude, alle Lust daran, andere zum Zorn
und Arger zu reizen, alle Lust daran, andere in Bedrängnis und Not zu tadeln und zu verletzen.
So gib mir, guter Gott, einen demütigen, bescheidenen, ruhigen, friedlichen,
geduldigen, barmherzigen, gütigen, zarten und zu Mitleid fähigen Sinn, kurz, alle Schattierungen der Nächstenliebe - in allen meinen Worten, in allen
meinen Werken, in allen meinen Gedanken, als Vorgeschmack deines heiligen, gesegneten Geistes.
Thomas Morus in: Erhelle meine Nacht. Die 100 schönsten Gebete der Menschheit. Hg. von Benrhard Lang, C.H.Beck Verlag, München 2004.
Worauf es ankommt
Mutter Teresa
Es kommt nicht darauf an,
wie viel wir tun, sondern
wie viel Liebe wir in das legen,
was wir tun.
Sich liebend begegnen
Pierre Stutz
EINANDER ZÄRTLICH BEGEGNEN
von Herz zu Herz
die erotische Kraft der Liebenden
tief ein- und ausatmen
Einander respektvoll begegnen
im gegenseitigen Angerührtsein
im Wahrnehmen der Verschiedenheit
Nähe und Distanz wagen
Einander beglückt begegnen
im Staunen über die Liebe
im Mitfühlen im Schmerz
immer einen Leer-raum lassen
LEER-RAUM IN MEINEN BEZIEHUNGEN
niemanden haben wollen
einander zum Werden bestärken
Tag für Tag
Zwischen-raum in meinen Begegnungen
offen sein für das Geheimnis der Liebe
im dankbaren Staunen
im fairen Austragen von Konflikten
Atem-zeit in meinen Beziehungen
einander Verwandlung zugestehen
in der Bestärkung zur Selbstannahme
in der Ermutigung zum Engagement
MEIN LEIBSEIN GENIESSEN
meine Gesundheit schätzen
achtsam mit ihr umgehen
im Gestalten von Atemzeiten
Mein Leibsein annehmen
mit seinen Begrenzungen
mit seinen Behinderungen
in gesunden und kranken Tagen
Mein Leibsein spüren
in Spiel und Sport
in handwerklichem Arbeiten
in zärtlichen Begegnungen
SICH BERÜHREN LASSEN
im Annehmen der schöpferischen Kraft
der Geschlechtlichkeit
die Menschen zusammenführt
Sich bewegen lassen
im Verinnerlichen der erotischen Kraft
der hoffnungsstiftenden Liebe
die Menschen aufblühen lässt
Sich entfalten lassen
im Wagen von Nähe und Distanz
jenen Leerraum fördern
der tragfähige Beziehungen stärkt
Aus: Pierre Stutz, Atempause für die Seele. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2004.
Ort der Erinnerung
Ruth Rau
Es ist gut, dass es einen Ort
gibt für unsere Erinnerung.
Einen Ort,
zu dem wir gehen können
in unserer Trauer,
einen Ort,
den wir mit Blumen
schmücken,
um unsere Liebe
noch ein Stück weit
nachzutragen.
Einen Ort der Nähe
und der inneren
Zwiesprache.
Und doch gilt für alle diese
Gedenkstätten die
Botschaft,
die der Engel aus der
ewigen Welt der Zeitlosigkeit
brachte:
"Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten?
Er ist nicht hier, er ist auferstanden."
Frieden
Anton Rotzetter
Lebendiger Gott
Gib Frieden
uns und allen Toten
Gib Ruhe
uns und allen Toten
Gib Leben
uns und allen Toten
Was du den Toten gibst
gib uns
Was du uns gibst
gib allen Toten
Damit wir eine Gemeinschaft sind
die Toten
seit Anfang der Welt
und wir
die jetzt leben
Aus: Anton Rotzetter; Gott, der mich atmen lässt. Gebete. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 1986.
Warum sind wir alle Heilige?
Ulrich Wilckens
„Aller Heiligen“ gedenkt man am 1. November nur in der katholischen Kirche. Aber auch evangelische Christen können
das Gleiche tun. Denn im Neuen Testament werden alle getauften Christen «Heilige» genannt.
Man vergleiche, wie Paulus die Gemeinde in seinen Briefen anredet und sich verabschiedet. So heißt es zu Beginn
seines zweiten Briefes an die Gemeinde im griechischen Korinth: «Paulus … an die Gemeinde Gottes in Korinth samt allen Heiligen in Achaja».
Warum sind wir alle Heilige? Weil der Geist Gottes selbst uns allen an seiner Heiligkeit teilgibt (Epheser 3,16–19) –
schon in unserem Zusammenleben in der irdischen Kirche und ganz gewiss nach unserem Tod, wenn wir durch seine Gnade in die himmlische Kirche unseres Herrn
und Heilands Jesus Christus aufgenommen werden.
Aus: Ulrich Wilckens, Was Christen glauben. Fontis 2018.
fehlsichtig
Hermann Josef Coenen
Blind bin ich nicht.
Aber kurz -sichtig.
Ich sehe nur das, was direkt vor mir liegt,
was in die Augen springt:
nur die dicken Überschriften in der „Bild“ ,
nur die Probleme, die mich unmittelbar berühren.
Das Kleingedruckte lese ich nicht,
auf die Details achte ich nicht.
Nur das Grobe fällt mir ins Auge,
für Feinheiten habe ich keinen Blick.
Mein Horizont ist recht eng,
mein Weltbild sehr eingeschränkt.
Ich denke nicht weiter und habe wenig Fantasie.
Längerfristige Pläne mache ich nicht.
Mein Spannungsbogen und
meine Geduld reichen nicht weit.
Ich lebe von der Hand in den Mund,
von einem Augenblick zum andern
Blind bin ich nicht. Aber kurzsichtig.
Blind bin ich nicht.
Aber weit-sichtig.
Ich sehe fern.
Nicht nur „Schwarzwaldklinik“ und „Dallas“,
auch „Weltspiegel“ und „Internationalen
Frühschoppen“.
Ich engagiere mich für Südafrika und El Salvador,
für Brasilien und Südvietnam.
Ich lese Bücher über Welternährung und Waffenexport.
Nur, was vor meiner Haustür geschieht,
das sehe ich in meiner Weitsichtigkeit nicht;
die schwermütige Kollegin,
die Spüle voll Abwasch zu Hause,
den überfließenden Mülleimer,
der geleert werden muss,
die völlig fertige Frau des Alkoholikers nebenan,
die Asylanten aus dem Bunker ... die sehe ich nicht.
Fernsten - Liebe fällt mir leichter als
Nächstenliebe.
Blind bin ich nicht. Aber weitsichtig.
...
Ich brauche einen,
der meinen „blinden
Fleck“ heilt.
Ich brauche einen, der mich sehen lehrt.
Aus Hermann Josef Coenen, Meine Jakobsleiter, Patmos Verlag Düsseldorf, 1986.
Einübung des Sehens
Andrea Schwarz
"Mystik", das Wort hängt zusammen mit dem Wort "myein", die Augen schließen. Die Mystiker
schließen die Auge, um innere Bilder zu sehen und um danach die äußeren Bilder so zu sehen, dass sie Wirklichkeit mitteilen, wahrnehmbare
Wirklichkeit.
Wie kommt man dazu? Es beginnt wohl mit der Einübung des Sehens. Wirklich sehen heißt, die
Dinge nicht einfordern. Nicht Besitz ergreifen von ihnen. Nicht sie zerstören. Nicht sie missbrauchen. Sich ihnen behutsam nähern, ehrfürchtig, dem
Fremden gegenüber. Dabei immer genau sehen. Immer mehr wahrnehmen.
Sehen heißt darum: verstehen, dass alles ein Geschick hat und dass jedes fremde Geschick
dich angeht. Sehen heißt achtsam sein."
Gott,
lehre mich hinschauen
auf die Schönheit deiner Welt
auf das Leiden
den Menschen zugefügt
auf den Baum am Wegrand
den flackernden Kerzenschein
das Lächeln im Gesicht des Kindes
die Traurigkeit im Gesicht der alten Frau
auf das Funkeln des Weines im Glas
den Reif auf dem Rosenblatt
das trostlose Gesicht hinter der Fensterscheibe
auf die Gebrochenheit in mir
lehre mich mit neuen Augen sehen
damit ich sehe
wenn ich sehe
hell und dunkel
heil und gebrochen
mich und die Welt
Andrea Schwarz, Wie ein Gebet sei mein Leben. Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2012.
Reichtum
Anthony de Mello
Der Sannyasi hatte den Dorfrand erreicht und ließ sich unter einem Baum nieder, um dort die Nacht zu verbringen, als ein
Dorfbewohner angerannt kam und sagte: 'Der Stein! Gib mir den kostbaren Stein!' 'Welchen Stein?' fragte der Sannyasi. 'Letzte Nacht erschien mir Gott Shiwa
im Traum', sprach der Dörfler, 'und sagte mir, ich würde bei Einbruch der Dunkelheit am Dorfrand einen Sannyasi finden, der mir einen kostbaren Stein geben
würde, so dass ich für immer reich wäre.' Der Sannyasi durchwühlte seinen Sack und zog einen kostbaren Stein heraus. 'Wahrscheinlich meinte er diesen
hier', als er dem Dörfler den Stein gab. 'Ich fand ihn vor einigen Tagen auf einem Waldweg. Du kannst ihn natürlich haben.' Staunend betrachtete der Mann
den Stein. Es war ein Diamant. Wahrscheinlich der größte Diamant der Welt, denn er war so groß wie ein menschlicher Kopf. Er nahm den Diamant und ging weg.
Die ganze Nacht wälzte er sich in seinem Bett und konnte nicht schlafen. Am nächsten Tag weckte er den Sannyasi bei Anbruch der Dämmerung und sagte: 'Gib
mir den Reichtum, der es dir ermöglichte, diesen Diamanten so leichten Herzens wegzugeben.'
Anthony de Mello, Warum der Vogel singt, Freiburg-Basel-Wien 1992.
Herr, lass mich treu bleiben
Peter Boekholt
Treue ist altmodisch,
erinnert mich an Großvater und Großmutter.
Treue wird
verlacht –
verspottet –
auf dem Asphalt zertreten –
verraten –
bestohlen!
So geht sie auf Wanderschaft
in die Bars und Nachtlokale,
mal hierhin
mal dorthin.
Und ich sehe im Park die zwei Alten,
Arm in Arm
nebeneinander
ohne Worte, einander stützend.
Wie konnten sie nur
vierzig
fünfzig
sechzig Jahre
treu sein
und das Abenteuer der Liebe wagen?
Gott, ich glaube
treu sein lohnt sich,
macht frei,
macht Sinn.
Herr, lass mich treu bleiben:
meinem Partner –
meinem DU
und Dir
Aus: Peter Boekholt, Im Aufbruch. Wege ins Leben. Kevelaer 1985.
Zweiheit
Ernesto Cardenal
Liebe ist eine Gegenwart.
Wir fühlen, daß wir einem anderen gehören und der andere uns. Liebe heißt, sich zwei
fühlen, spüren, daß man selbst zwei ist. Liebe bedeutet, sich geliebt fühlen, die Gegenwart eines anderen wahrnehmen, der einen liebt und einem zulächelt.
Lieben heißt, der andere sein wollen, wissen, daß man der andere ist und daß der andere man selbst sein will und man selbst ist. Es bedeutet, von sich
selbst leer und voll vom anderen sein. Wenn wir den Geliebten ansehen, verwandelt sich die ganze Seele in Blick. Wenn wir seufzen, gießt sich die ganze
Seele in den Seufzer. Man weiß sich zwei und fühlt sich identifiziert mit allen Paaren: mit zwei Liebenden, zwei Wolken, zwei vorüberfliegenden Tauben,
zwei Sternen.
Meine Einsamkeit und mein Seufzen in der Nacht fiel immer ins Leere, fand nie ein
Echo. Ich war allein. Jetzt hat mein Rufen ein Echo gefunden, da ist jemand, der mich hört. Ich kann ihn nicht sehen in der Dunkelheit und auch nicht
hören, aber fast spüre ich in meinem Innern, tiefer innen als ich selbst, Seinen Atem.
Aus: Das Gesetz der Liebe. Texte und Meditationen von : Ernesto Cardenal, hrsgg. Von Christian Zippert. Kiefel/ Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh
1996.
Gebet
Hermann Bezzel
0 Herr Jesu Christe, erbarme dich aller derer, denen deine Frage nach dem Verlorenen und deine Klage über unser Leid zu Herzen geht. Schenke uns nicht Erkenntnis
noch Vertiefung, nicht Reichtum des Wissens noch die Fülle des Lebens, sondern schenke uns die erste Liebe, aus der heraus auch das letzte Leid besiegt wird. Gib
uns den Anfang, damit das Ende selig, und die Begeisterung der Jugend, damit das Alter gesegnet sei, und all den Reichtum für dich und von dir, damit das Leben in
dir selig schließe. Verbirg uns nichts, was in uns wider dich lautet; gehe ins Gericht mit deinen Knechten und Mägden, ehe sie der Sicherheit zur Beute werden.
Zerstöre unsere Werke, zerbrich unser Wissen, entblättere alle unsere Blüten, auf daß in der Anfechtung wir nach dir sehen, und dann gib uns den verlorenen
Frühling wieder. Schenke uns allen Frührot der Begeisterung mitten in der Hitze der Arbeit, Frührot der Liebe auch am Abend vor der Ruhe, und so verleihe dieser
Gemeinde, die in der ersten Liebe sich erbaute, daß die erste Liebe sie vollende, um deiner Erbarmung willen. Amen.
Aus: Gebete großer Menschen. Zusammengestellt von Sr. M. Lucia OCD. Styria Verlag, Graz Wien Köln 1978.
So wie ein Kind
Beatrix Senft
so wie ein Kind
täglich neu lernen
ehrlich sein –
nicht um den heißen Brei herumreden
mit Neugier und Interesse
auf das Gegenüber
zu-gehen
versinken können im Augenblick
sich mal richtig zanken können
Streit schnell beenden
Bereitschaft zu teilen
sich freuen können wie ein König
mit großen Augen
schauen und
staunen
mit der Ausstrahlung von Glück
lachen können
bis zum Umfallen
dem Gegenüber mal schnell
sagen können
„ich hab'dich soooo lieb“
sich vertrauensvoll in die Arme
der Eltern
fallen lassen
ich will es „wachküssen“
das Kind in mir
damit Leben
wieder
besser
gelingt
Beatrix Senft, unveröffentlicht.
Gebet für unsere Erde
Franziskus (Papst)
Allmächtiger
Gott,
der du in der Weite des Alls gegenwärtig
bist
und im kleinsten deiner Geschöpfe,
der du alles, was existiert,
mit deiner Zärtlichkeit umschließt,
gieße uns die Kraft deiner Liebe ein,
damit wir das Leben und die Schönheit hüten.
Überflute uns mit Frieden,
damit wir als Brüder und Schwestern leben
und niemandem schaden.
Gott der Armen,
hilf uns, die Verlassenen und Vergessenen dieser Erde,
die so wertvoll sind in deinen Augen, zu retten.
Heile unser Leben,
damit wir Beschützer der Welt sind
und nicht Räuber,
damit wir Schönheit säen
und nicht Verseuchung und Zerstörung.
Rühre die Herzen derer an,
die nur Gewinn suchen
auf Kosten der Armen und der Erde.
Lehre uns,
den Wert von allen Dingen zu entdecken
und voll Bewunderung zu betrachten;
zu erkennen,
dass wir zutiefst verbunden sind mit allen Geschöpfen
auf unserem Weg zu deinem unendlichen Licht.
Danke, dass du alle Tage bei uns bist.
Ermutige uns bitte
in unserem Kampf für Gerechtigkeit, Liebe und Frieden.
Aus: Enzyklika Laudato si’, von Papst Franziskus, Rom 2015.
Gebet
unbekannte Herkunft
Herr,
du hast den Stummen
die Sprache wiedergegeben,
um uns zu sagen:
Erhebt eure Stimme!
Ich will, dass ihr sprecht.
Redet!
Seid nicht stumm,
wenn irgendwo Menschen Unrecht getan wird.
Deckt es auf! Macht es publik.
Redet!
Seid nicht stumm,
wenn Gott gelästert wird.
Am Stammtisch oder in den Medien, gedankenlos oder bewusst,
Redet!
Seid nicht stumm,
wenn Katastrophen hereinbrechen: Feuer, Wasser, Lawinen.
Bei Frost, bei Hitzewellen und wenn die Erde bebt, redet mit Gott.
Bittet!
Seid nicht stumm,
wenn ihr schweres Leid ertragen müsst, unheilbare Krankheit,
Verlust, den Tod eines geliebten Menschen. . .
Betet!
Seid nicht stumm,
wenn ihr glückliche Stunden erlebt,
wenn alles sich zum Guten wendet.
Jubelt!
Seid nicht stumm,
wenn ihr euren Glauben bekennen könnt,
heimlich oder offen vor aller Welt.
Jubelt!
Seid nicht stumm,
wenn euch etwas gelungen ist,
eine Hoffnung sich erfüllt hat.
Dankt!
Seid nicht stumm,
wenn Gott euch begegnet ist,
in einem Ereignis, in einem Menschen, in der Stille.
Dankt!
Du hast uns Stummen, Herr, die Sprache gegeben,
wie du den Stummen in Galiläa die Sprache wiedergegeben hast.
Damit wir beten und jubeln, danken und bitten und ja sagen können
zu deinem Wort, sodass es alle hören.
„Viel Kälte ist unter den Menschen"
Sonntagsgruß - Konvent der Kamillianer
weil wir es nicht wagen, uns so freundlich zu zeigen, wie wir wirklich sind“, sagte der Arzt Albert
Schweitzer.
Diesen Satz hänge ich von Zeit zu Zeit an unsere Pin-Wand im Klinikflur vor der Kirche. Es liegt mir
sehr am Herzen, Menschen damit aufzurütteln.
Leute, denen ich unterwegs begegne, schaue ich freundlich an oder grüße sie. Auf ihren Gesichtern sehe
ich manchmal die Reaktion:
Kenn ich die? ...Meint sie jemand anderen? …. Oder: Spinnt die? ….
(Auch Kinder sind es nicht gewohnt, von anderen freundlich bemerkt zu werden: verwirrte, gar erschreckte Gesichtsausdrücke sind oft die Antwort.)
Aus: Sonntagsgruß 35/2015 (Jahrgang 90), Konvent der Kamillianer Freiburg 2015.
Wunsch auf den Weg
Immer dann, wenn die Liebe nicht ganz reicht,
wünsche ich Dir GROSSHERZIGKEIT.
Immer dann, wenn du verständlicherweise auf Revanche sinnst,
wünsche ich Dir MUT ZUM VERZEIHEN.
Immer dann, wenn sich bei Dir das Misstrauen rührt,
wünsche ich Dir einen Vorschuss an VERTRAUEN.
Immer dann, wenn Du mehr haben willst,
wünsche ich Dir die SORGLOSIGKEIT der Vögel des Himmels.
Immer dann, wenn Du Dich über die Dummheit der anderen ärgerst,
wünsche ich Dir EIN HERZHAFTES LACHEN.
Immer dann, wenn Dir der Kragen platzt,
wünsche ich Dir TIEFES DURCHATMEN.
Immer dann, wenn Du gerade aufgeben willst,
wünsche ich Dir die KRAFT ZUM NÄCHSTEN SCHRITT.
Immer dann, wenn Du Dich von Gott und der Welt verlassen fühlst,
wünsche ich Dir eine unverhoffte BEGEGNUNG, ein Klingeln an der Haustür.
Immer dann, wenn Gott für Dich weit weg ist,
wünsche ich Dir SEINE SPÜRBARE NÄHE. (Unbekannter Verfasser)
Christus spricht: Komm...
Gaston Courtois
Schenke mir deine Unruhe. Es ist nicht vergeblich, wenn man sich mir anvertraut. Aber sage mir alles, was dich beschäftigt.
Stütze dich auf mich.Lange, kindlich, liebevoll…
Und jetzt sei ohne Sorge. Ich selbst werde mich deiner Sache annehmen, oder ich werde dir im geeigneten Moment eingeben, was
du tun sollst.
Komm zu mir mit all denen, die du kennst. Scheue dich nicht, mir Namen zu nennen. Ich liebe sie selber unendlich mehr, als du
dir vorstellen kannst. Empfiehl sie einen nach dem anderen meinem Segen.
Komm zu mir mit deinen Hoffnungen, Plänen und Wünschen.
Niemand kann dir besser helfen als ich.
Verlange alles, dessen du bedarfst. Ich kann dich nur in dem Maße beschenken, wie du mich demütig bittest. Drück dich klar
aus…, wiederhole…, dränge...! Ich dürste danach, mehr zu schenken als zu empfangen.
Ohne mich kommst du nicht weit, aber mit mir werden die Hindernisse überwunden, eins nach dem anderen.
Aus: Abbé Gaston Courtois, Das Gespräch mit Christus. Cura Verlag, Wien 1967.
Warum zitterst du?
Martin Gutl
Wir wissen, daß denen, die Gott lieben,
alle Dinge zum Besten gereichen.
(Röm 8,28)
Warum zitterst du
und läufst unruhig
von einem Menschen zum ändern,
um dich beraten zu lassen?
Was hält dich ab,
deine jetzigen Lebensumstände
als Botschaft Gottes anzuerkennen?
Warum siehst du nur
Widrigkeiten und Hindernisse
und nicht den Anlaß,
reifer und klarer zu werden?
Warum erkennst du
die Möglichkeit nicht,
den Auftrag deines Daseins
jetzt wahrzunehmen?
Gott gibt dir die Gewißheit,
daß alles einen Sinn hat!
Aus: Martin Gutl / Wim van der Kallen, Du Quelle in der Wüste. Verlag Styria, Graz Wien Köln 1987.
Kein Kunstwerk trägt meinen Namen
Herkunft unbekannt
Keine tolle Leistung gebracht.
Keinen großen Namen gehabt.
Keinen Orden für was gekriegt.
Nie in der Zeitung gestanden.
Ich lebe.
Kein Kunstwerk trägt meinen Namen.
Kein Wunder steht in den Annalen.
Nichts von mir steht geschrieben.
Ich bin einfach.
Doch im entscheidenden Moment
war ich ein Stück Brot,
wie ein Stück Wein,
ein Zeichen der Liebe für einen Menschen.
Und: Ich war gut - zu mir selbst.
SICH KÜMMERN
Ludger Hohn-Morisch
Willst du wirklich lieben und glücklich sein, musst du dich um die Menschen kümmern, die dir nahe stehen, die
deiner Sorge anvertraut sind, mit denen du zusammenwohnst, sprichst und lachst.
Sich kümmern bringt im Grunde die Beste aller Gaben: Leben. So kommt auch in dein Leben Farbe und manchmal ein
Gefühl von unermesslicher Dankbarkeit.
Aus:
Ludger Hohn-Morisch (Hrsg), Für jeden Tag ein gutes Wort, Herder Verlag, Freiburg Basel Wien 2005.
DAS LIED VOM BROT
Huub Oosterhuis
Das Brot, aus der Erde gewonnen,
das Brot, von Händen gemacht,
das Brot schmeckt nach Menschen und Tränen,
das Brot einer schlaflosen Nacht.
Das Brot des Kriegs und des Friedens,
das täglich gleiche Brot,
das fremde Brot einer Liebe,
das steinerne Brot im Tod,
das Brot, das wir teuer verdienen,
das Geld, unser Leib und Genuß,
das Brot des Zusammenlebens,
de ärmliche Überfluss,
das Brot, das wir essen müssen,
das Brot, das dem Leben dient,
wir teilen es miteinander,
solange wir Menschen sind.
Du teilst es mit uns, und so teilst du
Dich selber für alle Zeit,
ein Gott von Fleisch und von Blut du,
ein Mensch, dem wir ewig geweiht.
Aus: Huub Oosterhuis, Mitten unter uns, übertragen von Peter Pawlowsky, Herder-Verlag 1982.
MITTEN AM TAG
Claudia Nietsch Ochs
Ich werde still.
Gott meines Lebens, ich finde mich vor dir ein mitten am Tag.
Mit meinem Leib, mit meinem Atem,
mit meinem Denken und Fühlen,
so wie ich jetzt bin.
Mit jedem Ein- und Ausatmen möchte ich stiller und hörender werden.
Ich möchte mich von dir einladen lassen innezuhalten.
Ich bin gefüllt mit allem, was der Tag bis jetzt gebracht hat.
Ich lasse diesen Vormittag noch einmal an mir vorüberziehen,
Stunde um Stunde, Ort für Ort, Begegnung für Begegnung.
Ich lasse alle Geschehnisse, Gedanken und Gefühle noch einmal aufsteigen.
Ich will dich loben mit allem, was heute den Glanz deiner Gegenwart hatte,
Ich will dir danken für alles, was ich tun konnte und was mir gelungen ist.
Barmherziger, schenke mir Versöhnung und Heilung,
wo ich meine Kräfte überschätzt habe.
Schenke mir Versöhnung und Heilung
für alles Halbherzige und Gleichgültige, für alles Hetzen und Drängen,
das mich von dir entfernte.
So bringe ich diesen Tag in der Mitte vor dich:
Nimm du ihn an.
Gib mir Zuversicht und Vertrauen in deine Gegenwart:
für den zweiten Teil dieses Tages,
für alles, was ich tun kann,
für alles, was mir geschenkt wird.
Claudia Nietsch Ochs in: Du bist der Atem meines Lebens. Das Frauengebetbuch. Herausgegeben von Benedikta Hinterberger OP, Andrea Kett, Hildegund Keul, Aurelia
Spendel OP. Schwabenverlag / KlensVerlag, Ostfilder 2010.
ABENDGEBET
Franz von Sales
„Herr, ich danke dir für diesen Tag. Verzeih mir, wenn ich ihn nicht ganz in deinem Geiste gelebt
habe, so nimm wenigstens meinen zaghaften Versuch, mein Bemühen.
Ich danke dir, dass ich gesund geblieben bin und dass mir nichts passiert ist. Entschuldige, wenn ich Unrecht getan
habe.
Ich danke dir für die Aufgaben, die dieser Tag von mir forderte und an denen ich meine Kräfte und meine Ausdauer
erproben konnte. Entschuldige, wenn ich nicht alles so getan habe, wie es hätte sein müssen.
Ich danke dir für meine Mitmenschen in der Familie und überall: für ihr Lächeln, ihre freundlichen Worte, ihr
Zuhören und dafür, dass sie mich ertragen haben. Entschuldige, wenn ich rücksichtslos und lieblos gegen sie war.
Ich danke dir für die Freude an allem Guten, das mit heute begegnet ist. Entschuldige, wenn ich durch mein Verhalten
die Freude anderer verdorben habe.
Ich danke dir für die Hoffnung nach jeder Niederlage. Entschuldige, wenn ich anderen eine Enttäuschung bereitet
habe.
Ich danke dir für den Trost in allem Schönen, an dem mein Leben trotz aller Mühseligkeiten und Widersprüche so reich
ist. Lass auch die anderen diesen Trost finden.
Gott, ich danke dir für diesen Tag: Für das Gute, dass ich mit deiner Hilfe getan habe.
Ich bitte um Verzeihung: für die Schuld, die ich auf mich geladen habe.
Lass mich in dir geborgen sein.“
Franz von Sales, in: Andrea Schwarz, Wie ein Gebet sei mein Leben. Exerzitien im Alltag. Freiburg 2002.
HÄNDE
Beatrix Senft
Hände – Dir entgegen.
Hände – um zu geben.
Hände – zum Empfangen.
Hände – gehalten auch im Bangen.
Hände – Dir zu reichen.
Hände – um zu streicheln.
Hände – Gott entgegen.
Erfüll DU, HERR,
sie mit Leben.
Beatrix
Senft, unveröffentlicht
GIB FRIEDEN, HERR, GIB FRIEDEN
Jürgen Henkys
Gib Frieden, Herr, gib Frieden,
die Welt nimmt schlimmen Lauf.
Recht wird durch Macht entschieden,
wer lügt, liegt obenauf.
Das Unrecht geht im Schwange,
wer stark ist, der gewinnt.
Wir rufen: Herr, wie lange?
Hilf uns, die friedlos sind.
Gib Frieden, Herr, wir bitten!
Die Erde wartet sehr.
Es wird so viel gelitten,
die Furcht wächst mehr und mehr.
Die Horizonte grollen,
der Glaube spinnt sich ein.
Hilf, wenn wir weichen wollen,
und laß uns nicht allein.
Gib Frieden, Herr, wir bitten!
Du selbst bist, was uns fehlt.
Du hast für uns gelitten,
hast unsern Streit erwählt,
damit wir leben könnten,
in Ängsten und doch frei,
und jedem Freude gönnten,
wie feind er uns auch sei.
Gib Frieden, Herr, gib Frieden:
Denn trotzig und verzagt
hat sich das Herz geschieden
von dem, was Liebe sagt!
Gib Mut zum Händereichen,
zur Rede, die nicht lügt,
und mach aus uns ein Zeichen
dafür, daß Friede siegt.
Jürgen
Henkys (1980) 1983 nach dem niederländischen »Geef vrede, Heer, geef vrede« von Jan Nooter 1963, in: EG 430.
MeditatiON
Größer als die Angst
Eine Szene am Meer, die ich
nicht vergessen werde:
Die Mutter genießt die
Brandung. Sie wirft sich in das aufschäumende Wasser und kreischt vor Vergnügen. Er, eineinhalb Jahre alt, stochert seelenruhig mit seiner kleinen Schaufel am Strand im Sand
herum. Da blickt er auf, sieht seine Mutter und läuft ihr tollpatschig entgegen. Die erste kleine Welle überspült seine Füßchen. Er bleibt unsicher stehen. Dann erblickt er das
lachende Gesicht der Mutter, geht weiter ‑ und scheitert an einer etwas höheren Welle, die ihn umwirft. Er steht auf, sieht wieder in das lachende Gesicht der Mutter und landet
schließlich wohlbehalten in ihren kräftigen Armen.
Wir brauchen etwas oder
jemanden, auf den oder das wir sehen und dem wir vertrauen können, wenn die Wellen des Lebens uns umwerfen. Vieles können wir ertragen, wenn wir Größeres kennen als die Angst. Es
kann sein, dass die Frage danach die wichtigste aller Fragen ist.
Eine Antwort für uns
Christen lautet: Wir dürfen ihm vertrauen, weil er bei uns ist!
(Nach: U. Böschemeyer, Das Leben meint mich. Meditationen für
den neuen Tag. SKV Edition, Lahr, z. Auflage 19942, 16. Juli)
MEDITATION -
Wachsen
Wachsen –
an einer Aufgabe
Wachsen –
an einer Last
Wachsen –
in der Liebe
Wachsen –
an den Ansprüchen der Beziehung
Wachsen –
in Richtung Sonne
Wachsen –
um dem Dunkel zu entfliehen
Wachsen –
weil ich Heimat habe
Wachsen –
damit ich Heimat bin
Wachsen –
trotzdem, weil es zu leben gilt
Wachsen –
weil er den Tod überwunden hat.
Stefan Müller-Guggemos
Ein Lob auf den Kompost
»Wie kann das Befreiende und Heilende wachsen
in mir, meinen Beziehungen, in der Welt?«,
fragte die Frau.
Das Eine ist das Handeln und Planen.
Der Wille, etwas verändern zu wollen.
Die Offenheit und Bereitschaft zu kämpfen,
Dunkelheiten zu durchschreiten, Prozesse zu durchleben.
Das andere ist das Ruhenlassen,
ablegen, sein und wirken lassen - wie beim Kompost:
Es gibt Prozesse, die wirken im Innern,
Gärungs- und Umwandlungsprozesse.
Da wirkt die Weisheit im Kleinsten und in der Tiefe.
Da wächst aus Vergangenem und Verdorbenem
eine neue Lebenskraft.
Da geschieht - fürs Auge verborgen -
Verwandlung und Neubeginn.
Dann ist das Lassen mehr als das Tun.
Ein mutiger Akt des Vertrauens.
Barbara
Lehner, aus: Andrea Kett und Hildegund Keul (Hg.), Du gibst meinem Leben weiten Raum, Spirituelle Texte von Frauen. Schwabenverlag, Ostfildern 2011.
GIB DEN VERRÜCKTEN KRAFT
Uwe Rahn
Wohl denen, die noch träumen in dieser schweren Zeit.
Wir wollen nicht versäumen, was ihnen Kraft verleiht.
Lass uns in ihren Spuren gehen und schenk uns Phantasie,
die Welt im Licht zu sehn.
Die noch Gefühle zeigen und gegen Unrecht sind,
die an der Welt noch leiden und weinen wie ein Kind,
die, guter Gott , lass nicht allein.
Wir brauchen ihre Wärme.
Lass sie uns Vorbild sein.
Und die, die fröhlich lachen, behalt in deiner Hut.
Die auch mal Unsinn machen, o Herr, schenk ihnen Mut.
Wir brauchen ihren Lebenssaft – zu nüchtern ist die Welt!
Gib den Verrückten Kraft !
Wer Fragen hat und Zweifel, den lade zu dir ein.
Lass ihn in deiner Kirche bei uns zu Hause sein,
weil Glaube nur lebendig ist, wo wir gemeinsam suchen –
so wie du ihn erschaffen – soll andern Segen sein.
Uwe Rahn,
Lieder zwischen Himmel und Erde. Düsseldorf: tvd 6. Aufl. 2011, Nr. 94.
W
IR BRAUCHEN EINANDER
Friedrich Funke
Den einen, weil wir ihn lieben oder er uns liebt,
den anderen, weil wir ihn nicht lieben oder weil er uns nicht lieben
kann,
den einen, weil er uns kritisiert,
den anderen, weil er nachgiebig ist mit uns,
den einen, weil er uns Härte spüren lässt,
den anderen, weil er nachgiebig ist mit uns,
den einen, weil er unser Leben in Frage stellt,
den anderen, weil er uns bestätigt,
den einen, weil wir Verbindung und Nähe erfahren,
den anderen, weil wir Distanz und Abstand lernen müssen,
den einen, weil wir tiefe innere Einheit erfahren,
den anderen, weil wir Andersartigkeit kennenlernen,
den einen, weil er uns zu uns selbst führt,
den anderen, weil er uns zu den Mitmenschen führt,
den einen, weil er uns Stütze ist,
den anderen, weil wir ihm Stütze sein können,
den einen, der uns sagt, was wir tun sollen,
den anderen, der uns schweigt und uns selbst den Weg finden lässt,
den einen, der uns immer wieder auf Gott aufmerksam macht,
den anderen, durch den Gott uns auf etwas aufmerksam macht.
Wir brauchen einander
in den verschiedenen Situationen des Lebens
und so vielfältig unser Leben ist, so vielfältig können auch unsere Beziehungen zu Mitmenschen
sein,
so vielfältig können die Beziehungen in unseren Gemeinschaften sein,
so vielfältig kann Kirche sein,
als Ort, wo wir Menschen einander in seinem Namen begegnen.
Friederike
Ferstl, in: Lebenszeichen aus der Stille, Wien 1995.
EIN NEUES HERZ
Dorothee Sölle
schaffe in mir gott ein neues herz
das alte gehorcht der gewohnheit
schaff mir neue augen
die alten sind behext vom erfolg
schaff mir neue ohren
die alten registrieren nur unglück
und eine neue liebe zu den bäumen
statt der voller trauer
eine neue zunge gib mir
statt der von der angst geknebelten
eine neue sprache gib mir
statt der gewaltverseuchten
die ich gut beherrsche
mein herz erstickt an der ohnmacht
aller die deine fremdlinge lieben
schaffe in mir gott ein neues herz
und gib mir einen neuen gewissen geist
dass ich dich loben kann
ohne zu lügen
mit tränen in den augen
wenns denn sein muss
aber ohne zu lügen
Dorothee
Sölle
GEBET ZUM HEILIGEN GEIST
Antony Kolencherry
Heiliger Geist,
eins mit dem Vater und dem Sohn,
deine schöpferische Kraft erfüllt das All mit Glanz und Herrlichkeit.
Atme in mir deinen Atem des Lebens, der Weisheit und der Menschlichkeit,
damit ich Zeuge von deiner unendlichen Güte bin.
Dein lebendiges Feuer möge mich beflügeln,
mein Inneres durchdringen,
mich erwärmen und heiligen.
Entzünde in mir das Feuer deiner Liebe,
damit ich das Böse besiege,
die Angst überwinde,
Freundschaften schließe
und zur Versöhnung beitrage.
Heiliger Geist,
du Feuer und Flamme,
hilf mir, die Liebe zu entzünden,
die Herzen zum Glühen zu bringen,
den Geist zu erfrischen und die Sinne zu erfreuen.
Beschenke mich mit deinen himmlischen Gaben
und verwandle mich, damit ich umkehre, wo Umkehr notwendig ist,
und neu beginne.
Leite mich auf den rechten, ebenen Pfaden
und mache mich zum Werkzeug deines Friedens,
damit ich in den Familien und Gemeinden der Einheit und Eintracht diene.
Heiliger Geist,
ich danke dir, dass ich bei dir so wunderbar geborgen bin.
Sei gepriesen heute und in alle Ewigkeit. Amen.
P.
Antony Kolencherry, Kloster Visitation, 4500 Solothurn, Schweiz.
Schön zu leben, sage ich,
obwohl vieles dagegen sprich
Ich weiß...,
und wer wüsste nicht...
Schön zu leben, sage ich heute,
obwohl ich gestern anderer Meinung war,
und morgen.
Was soll’s
Schön zu leben,
auf unserem blauen Planeten,
in dieser Gegend,
zu dieser Zeit,
mit diesem umgrenzten Ich.
Schön zu leben
und den unvollkommenen Menschen zu lieben,
dessen Geheimnis zu beweisen ich mich schäme.
Schön zu leben,
weil es Dich gibt,
Nazarener,
und dein Manifest
der Hoffnung, an das ich glaube.
(D.
Block)
„Mensch, ich hab dich gern“ –
sag es weiter mit Worten oder ohne Worte.
Sag es mit einem Lächeln,
mit einer Geste der Versöhnung
mit einem Händedruck
mit einem Wort der Anerkennung
mit einer Umarmung
mit einem Kuss
mit einem Stern in deinen Augen.
Aus: Phil
Bosmans; Vergiß die Freude nicht. Herder Verlag Freiburg – Basel – Wien 1976.
DIE LIEBE
Elmar Simma
Die Liebe
ist langsam im Urteilen und verurteilt nicht,
bejaht den anderen nicht nur um seiner Leistung willen,
will dem anderen das Beste,
kann auch andere Meinungen gelten lassen,
ist unendlich geduldig,
nörgelt nicht, wo es dem anderen nichts hilft,
kritisiert nicht hinter dem Rücken,
sagt ein offenes Wort, wo es sein muss,
taktiert nicht um des eigenen Vorteils willen.
Die Liebe glaubt alles - hofft alles - hört nie auf!
Aus: Elmar Simma "Hätte aber die Liebe nicht" Gedanken, Impulse, Geschichten für sozial Engagierte und die Caritas-Arbeit heute , Ott-Müller-Verlag,Salzburg,Wien.
SEGEN AM TAG
Rainer Bareis
Gott, ich möchte mich wandeln.
Doch an einem einzigen Tag
kann ich kein anderer Mensch werden.
Ich will gut sein.
Lass mich mit einer guten Tat beginnen.
Ich möchte froh sein
lass mich die kleinen Dinge,
die am Wegesrand liegen, sehen.
Hilf mir,
dass ich mein Herz
für dich und für die Menschen öffnen kann.
Hilf mir,
dich in meiner Welt zu sehen
und zu finden.
Segne mich
für diesen Tag.
Aus:
Rainer Bareis; Segen. Du bist gesegnet! Segenswünsche, Segensgebete. Kehl Sadifa Media 2007.